Ein Plädoyer für Aktivkornkohle-Sorptionsfilterung - Christoph Saunus

Nachdem der Normteil 2 der Schwimmbad- DIN 19643 mit der Verfahrenskombination: Flockung => Kohlepulverdosierung => Filterung => Chlorung scheinbar durch das Schüttelrost der Beckenwasseraufbereitung zu fallen drohte, hat die DIN-Exekutive endlich reagiert und den Kohlestaub vom Normmantel gepustet. Dieses soll jedoch nicht heißen, dass die Kohlepulverdosierung zwangsläufig ein Auslaufmodell sei.

Als neuer Hoffnungsträger der Schwimmbadbranche hat man jedenfalls Ende vergangenen Jahres die längst überfällige Verfahrenskombination Flockung - Filterung - Adsorption an Aktivkornkohle - Chlorung offiziell als Normteil 5 kreiert. Sinn und Zweck der notwendig gewordenen Aktion ist die präservative Verhütung von negativen Folgen bei chlorgeschwängertem Schwimmbadwasser, damit sich der Homo planschikus beim Baden immer poolwohl fühlt. Bei den so genannten anthropogenen Chlornebenreaktionsemissionen - was für ein furchteinflößendes Wortungetüm - handelt es sich im Einzelnen um im Beckenwasser vorhandenes gebundenes Chlor und Trihalogenmethan (THM).

Im Gegensatz zu dem 1997 eindrucksvoll inszenierten Normfeuerwerk mit nicht zu überhörendem Werbe-Trommelwirbel für die neue Schwimmbadnorm DIN 19643 Teil 1-3 ging es diesmal beim inquisitorischen Zeugungsakt des jüngsten Normbabys vergleichsweise ruhig zu. Die Ursache für die mediale Enthaltsamkeit gegenüber dem freudigen Branchenereignis mag darin begründet sein, dass die besorgten Normväter während der äußerst schwierigen (Zangen-)Geburt die Nabelschnur zur Praxis vor Ort ganz bewusst frühzeitig gekappt haben.

Bei diesem unfreundlichen Abkoppelungsakt handelt es sich nicht etwa um aktive Sterbehilfe, sondern die Geburtshelfer haben als Taufgeschenk - etwas ironisch kommentiert - lediglich die Chancengleichheit zwischen Theorie und Praxis etwas ins Schwimmen gebracht. Neben diesem Geburtsfehler im isolierten Normbrutkasten gibt es noch weitere sonderbare Ungereimtheiten beim DIN-geschwängerten Badewasser zu beklagen, auf deren Hintergründe der Beitrag in der Folge noch augenöffnend näher eingeht.

Normativer Rückblick

Damit kein falscher Eindruck entsteht, vorab der Hinweis, dass der neue Normteil 5 vom Ansatz her durchaus eine akzeptable und zugleich begrüßenswerte Schwimmbadwasser-Aufbereitungsalternative zu den bestehenden Verfahrenskombinationen der DIN 19643 in den Teilen 2-4 darstellt. Denn die Aktivkornkohle, richtig eingesetzt, ist zweifelsohne ein chemisch-katalytisch hervorragendes Wellness-Therapeutikum gegen „schweres Wasser".

Die zu relativierenden Normdetails und zweifelsohne vorhandenen Kritikpunkte werden später noch fachtechnisch erörtert. Doch zunächst zum besseren Verständnis der brandheißen Kohlethematik ein kurzer Rückblick über die Normentstehungsgeschichte und deren bemerkenswerte Hintergründe.

Bekanntlich ist das praxisbewährte Chlor als anerkanntes Desinfektionsmittel nach wie vor in der Schwimmbadwasseraufbereitung ein notwendiges Übel. Dabei ist der Desinfektions-IQ von Chlorprodukten zweifelsohne sehr hoch und darüber hinaus sind auch die entscheidenden Wirkparameter analytisch klar definiert. Dieses kann man allerdings bei unzähligen in der Bäderbranche nutzlos herumgeisternden Alternativ-Schwimmbadprodukten, die aus allen möglichen ominösen Alchimistenküchen stammen, nicht gerade behaupten. Obwohl im öffentlichen Bäderbereich gemäß DIN 19643 Teil 1 unter Punkt 11.2 die Chlor-Desinfektionsmittel eindeutig definiert sind, stößt man immer wieder auf nicht zugelassene Produkte wie z. B. organisches Chlor. Obwohl die Chlorprodukte auf Isocyanurbasis o. Ä. mit Pseudobegriffen wie „stabilisiertes Chlor, Depotchlor, pH-neutral" etc. bekanntermaßen die amperemetrische Mess- und Regelungsautomatik verfälschen, werden sie trotzdem eingesetzt. Jedes Produkt hat Vor- und Nachteile, folglich trifft diese Trivialerkenntnis selbstverständlich auch für die Chlor-Wasserpflege zu. Dieses ist jedoch kein Grund, die Krone der Chlorprodukte niedriger zu hängen. Unstrittige Tatsache ist, dass beim chemisch- hygienischen Fusionsvorgang der Chlordesinfektion bzw. Oxidation mit organischen Belastungsstoffen zwangsläufig Chlornebenreaktionsprodukte im Schwimmbadwasser entstehen, die wiederum in Verdacht stehen evtl. karzinogen, d. h. gesundheitsschädlich zu sein. Dass dieses Verdachtsmoment bereits seit vielen Jahren besteht, aber erstaunlicherweise von den missionarisch beseelten Hygienevordenkern bis zum heutigen Tage nicht wissenschaftlich zweifelsfrei ausgeräumt werden konnte, ist ein bedauerlicher Tatbestand. Die Hintergründe dafür mit den unter Bestandsschutz stehenden Hygiene- Weißkitteln klären zu wollen, wäre jedoch müßig. Stellt doch bereits der Krebsverdacht für die im Normausschuss dominierenden Hygienetechnokraten ein immer wieder gerne genutztes, überaus wirksames Totschlagargument gegenüber der stets in Erklärungsnotstand befindlichen Technik dar (siehe hierzu die folgende THM-Anmerkung).

Normgeweihtes Badewasser

Die Illusionsfrage nach der absoluten Sicherheit beantwortet sich unter dem Aspekt „Zu geringer Schutz aufgrund zu großer Ungewissheit", von selbst. Man bedenke nur, dass jeder durchschnittliche Erwachsene schon heute bereits 300 bis 500 Chemikalien in seinem Körper trägt, ohne jedes Wissen über deren Eigenschaften geschweige deren Wechselwirkungen. So die augenöffnende Diagnose von Frau Margot Wallström, ihres Zeichens EU-Umweltkommissarin.

Zum Thema „Das Leben ist und bleibt lebensgefährlich", noch kurz der folgende paradoxe Schmunzel-Hygienehinweis: Die noch in diesem Jahr in Kraft tretende Trinkwasserverordnung enthält einen Grenzwert fürTrihalogenmethan (THM) im Wasser von 0,05 mg/l und der THM-Richtwert in der Schwimmbad-DIN 19643 beträgt derzeit 0,02 mg/l. Folglich lautet die Quizfrage: Wo ist wohl die orale Wasseraufnahme größer, beim Trinkwasser als Lebensmittel Nr. 1 oder beim Schwimmbad-Lustelement H2Oooh?

Dazu passend die neueste Meldung vom „Aktivkohleseminar": THMs gelten nicht mehr als gesundheitsschädlich, sondern erfüllen jetzt die Funktion eines Indikators. So einfach ist das mit dem Gesundheitsrisiko. Hygieneanmerkung: „Nichts ist so beständig wie der Wandel."

Die bereits genannten Chlornebenreaktionsprodukte sind in der Bäder-DIN 19643 Teil 1 Tabelle 2 „Anforderungen an das Reinwasser und das Beckenwasser" wie folgt begrenzt: gebundenes Chlor max. 0,2 mg/l und Trihalogenmethane, berechnet als Chloroform, 0,02 mg/l.

Um die o. g. Chlornebenprodukte, sofern diese die Richtwerte im Schwimmbadwasser tatsächlich übersteigen, fachgerecht aus dem normgeweihten Badewasser zu fischen, reicht nicht mehr nur die Norm- Verfahrenskombination Flockung - Filtration - Chlorung, sondern man muss gezwungenermaßen zusätzlich Aktivkohle als so genannten Schadstoffadsorber einsetzen.

Damit die Chemie bei der Schwimmbadwasseraufbereitung auch immer stimmt, haben die eifrigen Normvordenker in weiser Voraussicht oder besser aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber der bis heute immer noch nicht erschienenen Bäderverordnung im Teil 2 der 1997 neu erarbeiteten Bädernorm DIN 19643 bereits die Möglichkeit der eingangs erwähnten zusätzlichen Kohlepulverdosierung als Problemloser für ch lorgestresstes Beckenwasser verfahrenstechnisch berücksichtigt.

Kohlepulverdosierung - ein hygienischer Dauerbrenner

Das ultimative Kohlepulver-Normdiktat hat an der Beckenwasserscheide zwischen Theorie und Praxis inzwischen jedoch seinen Tribut gefordert. Schenkt man nämlich den im doppelten Wortsinn betroffenen Anwendern Glauben, ist die prophylaktische Chemotherapie mit Hilfe der Kohlepulverdosierung in der rauen Praxis vor Ort, vorsichtig formuliert, nicht immer ganz unproblematisch und von daher nach wie vor umstritten.

Nachdem sich die nebulöse Staubwolke des Kohlepulvers immer mehr lichtet, wird ersichtlich, dass die PR-Wirkung weitaus besser ist als die Performance. Das Risiko der Kohlestaubexposition beginnt mit dem Handling, geht weiter über die Filterkonfiguration und endet faktisch mit der monetären Entsorgung der schadstoffbelasteten Pulverkohle, deklariert alsfrag-würdige Altlast mit Sondermüllstatus.

Rechtfertigungsargumente, dass in einigen Einzelfällen Sondermaßnahmen zur Entsorgung des aktivkohlehaltigen Schlamms durchgeführt wurden, sind - wie ich meine - so hilfreich, als wenn man versucht, sich im Schwimmbadwasser abzustützen, und von daher argumentativ wohl mehr Krücke als Stütze. Die Widersprüchlichkeit der Thematik „Kohlepulverdosierung" wurde auf einem hochkarätigen Kohlesymposium so deutlich, dass es deutlicher nicht mehr geht.

So behauptet z. B. der eine Referent (übrigens beide sind Dr.), beim Pulverkohleeinsatz tritt kein völliger Chlorverbrauch auf und folglich ist der Einsatz hygienisch weniger problematisch. Der zweite Referent weist anhand von Praxisbeispielen mit offiziellen Messdaten zweifelsfrei nach, dass bei der Pulver- ktivkohledosierung das freie Chlor vollständig entfernt wird, und folgert, dass somit massive Filterverkeimungen auftreten können.

Diese völlig gegensätzlichen Aussagen von renommierten Bäderexperten verdeutlichen, wie es um das Kohlewissen im Allgemeinen bestellt ist, und erwecken dabei gleichzeitig den Eindruck eines hygienischen Kohle-Offenbarungseides. Die Pulverkohleanwendung wurde immerhin seit 1997 im Normteil 2 mit vielen Vorschusslorbeeren als so genannter Problemloser kreiert.

Einfach nur verkohlt?

Das Geschäft mit der Kohle läuft gut, fragt sich allerdings nur, für wen und wer die Zeche der mit der schwarzen Perlenkunst verbundenen Risiken und Nebenwirkungen zahlt. Denn wenn man die Selbstzweckargumentationen im Kohlebeipackzettel kritisch würdigt, wird sehr schnell deutlich, dass die hartgesottenen Kohlehasardeure mit dem Rücken zur Pra-xis die latente Gefahr eines außer Kontrolle geratenen Hygiene- Supergaus im Filter wohlweislich ignorieren. Beim Einsatz von bioamorphen Kohleprodukten und nachfolgender ökobioser Kohle-Filterbettverschmelzung verwandeln sich nämlich Schwimmbadfilter innerhalb kürzester Zeit nicht nur Potenzial sondern auch potenziell zu stillen Brütern. Trotzdem wird der Bioadapter Kohle weiterhin in all seiner variantenreichen Schlackenvielfalt bisweilen gnadenlos als fauler Zauber monetär verheizt.

Damit die mentale Befindlichkeitsäußerung: „Ich kann mich nicht beklagen, bei mir klagen die Gläubiger", nicht eines Tages zum geflügelten Standardsatz der Schwimmbadbranche verkommt, gibt es nunmehr im kohlebefeuerten Schwimmbadschmelztiegel DIN 19643 mit dem Normteil 5 einen neuen Hoffnungsträger in der Bäderbranche.

Das Schweigen der Lämmer

Somit wären wir bereits bei den ersten Kritikpunkten angelangt. Seit dem Erscheinen des endgültigen Normteils 5 Ende 2000 gibt es nämlich völlig unverständlich zu diesem multifunktionalen Problemloser selbst im nicht mehr ganz jungen Erscheinungsjahr bisher keine einzige offizielle Korrekturlesung bzw. fachtechnische Rezension in irgendeiner renommierten Fachzeitschrift. Basiert das konspirative Schweigen der Edelfedern auf evtl. Interessenskollisionen in Richtung Pulverkohle? Ein Schelm, der dabei Böses denkt.

Viel gravierender ist allerdings die Tatsache, dass der seinerzeitige Norm-Gelbdruck im Jahre 1999 nicht, so wie es eigentlich im Normeinspruchsverfahren üblich ist, rechtzeitig in Fachzeitschriften angekündigt bzw. publiziert wurde. Solch eine verfahrenstechnische Unterlassungssünde lässt sich bei aller Normwertschätzung nicht mit der Lamento-Rechtfertigungsbelehrung, dass die Norminstitution zu so einem Inforitual nicht verpflichtet sei, plausibel entschuldigen. In anderen Baubereichen ist nämlich die offizielle Ankündigung von Norm-Gelbdrucken zur fristgerechten Wahrnehmung der Einspruchsmöglichkeit ein legitimes Instrumentarium, um mit Hilfe fachkompetenter „Basisdemokratie" kopflastige Normentwürfe praxistauglich zu veredeln. Warum hat der Schwimmbad-DIN-Ausschuss für seine neue Normpolice nicht die Möglichkeit des informativen Dialogs mit praxiserfahrenen Fachleuten zwecks kompetenter Meinungsbildung als qualitätssichernde Wertschöpfungsressource genutzt? Würde es bei den armen Brütern nicht „das Schweigen der Lämmer" geben, so ein Kenner der Szene, können Normgeschädigte im Nachhinein auch nicht mehr unter Hinweis auf das Humorschutzgesetz (HuSchG) § 16 Absatz 3 schwadronieren: „Norminhalte werden neuerdings nicht mehr wie früher in der Praxis gezeugt, sondern heute lässt man nur noch bequem in Feuchtbiotopen genmanipuliert laichen."

Die extrem meinungsignorierende Vorgehensweise bei der Normfindung bringt einerseits den Glanz der Herren Merkwürden zwangläufig in ein schiefes Licht und andererseits öffnen solch rigorose Tatbestände - völlig unnötig, muss man sagen - allen möglichen Spekulationen Tür und Tor. So liegt der Verdacht nahe, dass man einem erneuten sintflutartigen Einspruchsfiasko, wie es beim letzten Normeinspruchsverfahren im Jahre 1996 der Fall war, wohlweislich schadensbegrenzend vorbeugen wollte.

Wenn dem tatsächlich so ist, wurde dasangestrebte Ziel einer feindlichen Übernahmedurch die Praxis von den Überzeugungstäternin hervorragender Weise vereitelt. Es hat nämlich, man lese und staune, bei der Normprüfstelle diesmal lediglich nur sechs DIN-Einsprüche gegeben, von denen vier sogar noch auf persönlicher Initiative des Autors beruhen. Ob so eine „einsame" Normfindung fachtechnisch noch einen Sinn macht, darf daher zu Recht bezweifelt werden. Mit Ignoranz kann man sich zwar sehr elegant unbequeme Querdenker vom Hals halten, aber der Sache dienlich ist so ein merkwürdiges Normselbstverständnis jedenfalls nicht. Angesichts derart abgehobener Machtvollkommenheit darf man sich dann auch nicht über die einsetzende Götterdämmerung gegenüber den Gralshütern und ihrem theoretisch und hygienisch hochgerüsteten Germany-Normdesign - Stichwort „Deutschland Niedrig-Chlor-Land" - wundern. Sicherlich kann sich eine Norm nicht als Risikopapier prostituieren. Wenn eine Norm jedoch als anerkannte Regel der Technik gelten soll, muss sie sich interdisziplinär und nicht etwa selbstbefriedigend in so genannten „Nullrunden" dem Machbarkeitsgebot unterordnen. Anspruch und Inhalt müssen dabei kompatibel und ihre technischen und hygienischen Forderungen volkswirtschaftlich bezahlbar sein und auch bleiben. Folglich sollte man Selbstsicherheit nicht mit Selbstüberschätzung verwechseln und die Bedeutung der Norm auf das Maß zurückschrauben, welche ihr tatsächlich zukommt. Denn was machbar ist, muss nicht zwangsläufig auch sinnvoll sein. Das abschließend zum Thema Vergangenheitsbewältigung im Sinne von Normkonsens und DIN-Nonsens.

Einschichtfiltration wie gehabt

Im DIN-Teil 5 mit der Verfahrenskombination Flockung > Filtration > Adsorption an Aktivkornkohle • Chlorung wurden die Normaussagen der vorangegangenen Normteile, was die Hygieneparameter pHWert, Redoxspannung und Chlorung betrifft, sinngemäß übernommen.

Bei der Filtration hat man sich hingegen eindeutig auf die Einschichtfilterung gemäß DIN 19605 mit Filtersand nach DIN 19623, so wie z. B. im Normteil 2 ausführlich beschrieben, festgelegt. Die Filtergeschwindigkeit beträgt bei geschlossenen Filtern mit 1,20 m Filterschichthöhe in Verbindung mit Süßwasser wie bisher < 30 m/h und bei Meerwasser o. Ä. < 20 m/h. Die Option einer Mehrschichtfiltration in Kombination mit Sand und Anthrazit, Bims, Braunkohlenkoks und Pech- oder Petrolkoks gibt es somit im Normteil 5 nicht. Auf eine Kombinationsmöglichkeit von verschiedenen Filtermaterialien insbesondere von chlorzehrendem Anthrazit wurde offensichtlich im Hinblick auf die nachfolgende, hygienisch sehr sensibel reagierende Aktivkornkohle-Adsorptionsfilterung bewusst verzichtet. Dieses bedeutet für Planer und Anlagenbauer im Klartext, dass sich bis zur Filter- Adsorptionsstufe gegenüber den bestehenden Normteilen anlagentechnisch bzw. verfahrensmäßig nichts geändert hat.

Aktivkornkohle-Adsorptionsfilterung

Zur Adsorptionsfilterung mit Aktivkornkohle heißt es im Normteil 5 unter 4.6.1 „Allgemeines" wörtlich: „Durch die Filtration mit Aktivkornkohlefiltern werden Chlor-Stickstoff- Verbindungen, halogenorganische Verbindungen (THM, AOX) und organische Verbindungen weitgehend entfernt." Weiter heißt es dann: „Zur Filtration werden geschlossene Festbettfilter nach DIN 19605 eingesetzt." Das ist eine technisch-physikalisch klar definierte Wasseraufbereitungsaussage und gleichzeitig auch eine zweifelsfreie Absage an all diejenigen Koh-Iefetischisten, die meinen, sie könnten „hygienisch ungestraft" Aktivkornkohle als biologische Wunderwaffe gegen organisch und chemisch hoch belastetes Rohwasser aussetzen.

Bleibt zu hoffen, dass diese eindeutige Normaussage auch von der schwarzen Zunft richtig verstanden wird und folglich ihre produktbereinigende Wirkung nicht verfehlt. Denn wer Aktivkornkohle, mit welcher Materialtarnkappe auch immer versehen, trotzdem weiterhin als biologische Unterwasserminen im ersten Filter deponiert und damit schutzlos dem unfiltrierten, mit Flockungsmittel vermischten Beckenwasser (Rohwasser) ausliefert, betreibt hiermit nicht nur vorsätzliche ökologische Renaturierung, sondern verwandelt den Schwimmbadfilter obendrein auch noch in ein zeitlich unberechenbares Biosphärenreservat.

Dass es auch mit biologisch hochexplosiver Kohlemische zweifelsohne Kurzzeiterfolge gibt, ist ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass es bei Aktivkornkohle mit einer schier unvorstellbaren Oberflächengröße von über 1000 m2pro Gramm Kohle einen biologisch hervorragenden Nährboden gibt, bei dem es mit der Zeit zu organischen Keimaufladungen kommt. Dabei steigt dannt die mikrobiologische Fieberkurve im Filterbett immer schneller, bis die tickende Zeitbombe der Mikrobeninvasion irgendwann zur hygienischen Apokalypse führt. Da wirken dann auch noch so hohe Chlorungen immer nur temporär als Antibiotikum. Da die Biomasse Aktivkornkohle nunmal die Problemzone im Filter ist, handelt es sich bei den geschilderten Hygieneproblemen folglich auch um einen ganz normalen Prozessablauf im katalytischen Filtermaterial. Insofern gebührt dem aktiven Kohle-Normtribunal mit seiner eindeutigen Aussage, die Aktivkornkohle grundsätzlich nur dem Filtrat von fachgerecht betriebenen Einschichtfiltern nachzuschalten, voller Respekt.

Norm-Härtefall 1

Die Norm macht bei der Aktivkornkohle- Adsorption hinsichtlich der Filterfüllung folgende Vorgaben:

Zur Aktivkornkohle gemäß DIN 19603 heißt es weiter:

Rütteldichte: < 450 g/l

Chlor-Halbwertslänge: > 70 mm

Innere Oberfläche (BET-Methode) : > 950 m2/g

Anmerkung: Bei der Aktivkornkohle aus dem Grundmaterial Steinkohle beträgt die Oberfläche unter 1000 m2/g und beim Grundmaterial aus Kokosnussschalen über 1000 m2/g.

Dass man im Normteil 5 als Grundmaterial für Aktivkornkohle ohne zwingende Notwendigkeit namentlich „Steinkohle" fordert, ist wieder so ein typischer Rückfall in längst vergangen geglaubte Zeiten, die an das Schwimmbadnormfiasko anno 1997 erinnern. Dort hatte nämlich die Normeminenz seinerzeit so lange geNORMt, bis alle restlos beDINt waren. Statt die zweifelsohne vorhandene Kompetenz und Erfahrung der Normeinsprüche zu berücksichtigen und sich, so wie es bei anderen Baunormen üblich ist, aus einseitigen Materialvorgaben strikt herauszuhalten, wurde im Normteil 5 Absatz 4.6.2 wieder einmal über das Ziel hinausgeschossen. So hat man die im baurechtlichen Sinne völlig unakzeptable Zusatzformulierung gewählt: „Aktivkornkohle aus anderen Grundmaterialien muss sich im Versuch als tauglich erweisen." Solche kopflastigen Allmachtsfantasien gehen nach Branchenmeinung „eindeutig in Richtung Realitätsverweigerung", so ein brüskierter Insider, der es wissen muss.

Begründung: Unter den sechs Normeinsprüchen sind vier kompetente Firmen, darunter auch zwei renommierte Produkthersteller, die bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich Aktivkornkohle aus Kokosnussschalen in der Schwimmbadwasseraufbereitung einsetzen und dieses auch den Normweisen schriftlich mit Ihren Einsprüchen unmissverständlich mitgeteilt haben. Erwartungsgemäß jedoch vergebliche Mühe. Statt lediglich nur die zu erfüllenden Aktivkohlekriterien zweifelsfrei zu definieren, verschanzt man sich sendungsbewusst hinter dem Rechtfertigungshinweis, es bleibt Produktherstellern, Planern und Anlagenbauern unbenommen, den Tauglichkeitsnachweis z. B. der Aktivkornkohle aus Kokosnussschalen zu erbringen. Tatsache ist, dass es seit zig Jahren nicht nur genügend Praxisbeweise für die hervorragende Tauglichkeit von Aktivkornkohle beim Einsatz in der Bädertechnik gibt, sondern nachweislich das Grundmaterial aus Kokosnussschalen gegenüber Steinkohle auch noch erhebliche Vorteile aufweist. Dieses sind z. B. größere Materialoberfläche und höhere Material-härte respektive geringerer Abrieb. Aktivkohle aus Kokosnussschalen hat z. B. gegenüber Braunkohle keine Materialverunreinigungen wie Eisen, Mangan etc.

Wer selbst einmal auf eigene Kosten ein Schwimmbecken aufgrund von dreiwertigem Eisenausfall zeitaufwändig reinigen durfte, weiß, warum die Kohle-Produkthersteller in ihren Lieferbedingungen für derartige Folgeschäden keine Gewährleistung übernehmen. Da braucht man sich dann auch nicht zu wundern, wenn nach der Erleuchtung im Fegefeuer der Praxis ehemalige Lichtgestalten zu aschfahlen Schatten schrumpfen. Wer zahlt denn letztendlich die Zeche für den völlig unnötigen Tauglichkeitsnachweis? Mit Sicherheit nicht die Normweisen aus ihrer Privatschatulle respektive aus ihrem sozialen Füllhorn, sondern wieder einmal der Steuerzahler nach dem Motto: „Geld spielt keine Rolle, wir haben eh keins."

Wenn renommierte Filtermateriallieferanten wie beispielsweise die Firma Akdolith und SBF Wasser und Umwelt, ehemals Preussag, generell Aktivkornkohle aus Kokosnussschalen verwenden und es im europäischen Ausland nicht viel anders aussieht, erübrigt sich eigentlich jeder weitere Kommentar. Folgerichtig sei die kritische Frage erlaubt, warum derartige DIN-Ungereimtheiten immer wieder bei der Schwimmbadnorm zu finden sind und beispielsweise nicht in benachbarten Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärnormen. Dabei besteht doch zwischen dieser fachtechnischen Schicksalsgemeinschaft zweifelsohne eine sehr enge Seelenverwandtschaft.

Merke: Aus Gründen des Wettbewerbshygiene gilt auch für die Schwimmbad-DIN das ungeschriebene Neutralisationsgesetz, welches dort lautet: Normen haben weder ein Recht, bestimmte Materialien zu selektieren bzw. zu favorisieren noch sind sie offiziell legitimiert, auf irgendwelche Werkstoffe suggestiv Einfluss zu nehmen. Folglich liegt der Verdacht nahe, es geht hier primär um gesponserte Sterbehilfe für die „Steinkohlen-Zeche Elend".

Norm-Härtefall 2

Ein weiterer, von meinem Normverständnis her völlig inakzeptabler Härtefall ist das ultimative Filter-Geschwindigkeitsdiktat von < 30 m/h. Seit nunmehr 10 Jahren wird die Aktivkornkohle-Adsorptionsfilterung mit großem Erfolg bei allen erdenklichen Beckennutzungen und Wasserbeschaffenheiten - angefangen bei Süßwasser über Sole bis hin zu Meer- und Mineralwasser - mit einer Filtergeschwindigkeit von ca. 50 m/h ohne irgendwelche wasserhygienischen Verkehrsprobleme eingesetzt. Dabei bewegen sich die regelmäßig von renommierten Hygieneinstituten bei Filtergeschwindigkeiten von 50 m/h gemessenen Werte des gebundenen Chlors und der Trihalogene in Niedrigstbereichen, ähnlich der Ozon-Wasseraufbereitung.

Darüber hinaus gibt es von mir über diese zukunftsweisende Anlagenkonzeption seit vielen Jahren diverse Fachveröffentlichungen. Des Weiteren wird auf die bewährte Aktivkornkohlefilterung mit der empirischen Filtergeschwindigkeit von 50 m/h in meinem Bäder-Standardfachbuch „Planung von Schwimmbädern" bereits in einer Ausgabe aus dem Jahre 1997 sehr ausführlich untermauert mit eindrucksvollen Praxisbeispielen hingewiesen.

Wenn in Fachveröffentlichungen über innovative Anlagentechnologien, die sich seit zig Jahren in der Praxis bestens bewährt haben, unwidersprochen berichtet wird, gilt deren Know-how vom baurechtlichen Selbstverständnis her als „allgemein anerkannte Regel der Technik". Wenn man diese Tatsache nicht endlich kapiert, ist irgendwann der Lack vom kratzfesten DIN-Image ab und die Normbastion beginnt aufgrund fehlender Reformbestrebungen allmählich zu bröckeln. Folglich verursacht die mit heißen Normnadeln gestrickte 30-m/h-Regelung nicht unerhebliche Investitionskosten. Auch der betriebswirtschaftliche Mehraufwand für die Wasser-, Abwasser- und Energiekosten ist, wie ich meine, in keinster Weise gerechtfertigt, denn schließlich sollen Aktivkornkohle- Sorptionsfilter zweimal in der Woche gespült werden. Daher meine Praxisempfehlung, den Aktivkornkohle-Sorptionsfilter kostenbewusst mit einer Geschwindigkeit von 50 m/h auszulegen und als Option für den Fall der Fälle zusätzlich einen Armaturen betätigten Bypass vorzusehen.

Bei einem Blick über den heimischen Schwimmbeckenrand stellt man sehr schnell fest, dass unsere Nachbarländer erstaunlicherweise doch wesentlich flexibler sind, um ihre technischen Normen mit Leben aus der Praxis zu erfüllen. So erlaubt z. B. Österreich bei Aktivkornkohle offiziell eine Geschwindigkeit von 40 m/h, und das ohne dabei den von der Deutschen Norm genannten Grundstoff Steinkohle in irgendeiner Form zu favorisieren. Die Deutsche Schwimmbadnorm verweigert sich auch strikt gegenüber anderen evtl. kostengünstigeren Alternativen wie z. B. die Möglichkeit, nur einen Teilstrom über den Sorptionsfilter zu führen. Dieser Teilstrom sollte dann aber erfahrungsgemäß mindestens 50% des gesamten Umwälzvolumenstromes betragen. Die wechselseitige Nutzung von Aktivkohlefiltern für verschiedene Beckenwasserkreisläufe bleibt, wenn überhaupt, nur sehr großen Bädern vorbehalten und ob diese multifunktionale Nutzung dann tatsächlich noch einen Sinn macht, sollte anlagenspezifisch sehr kritisch geprüft werden.

Wie zu hören, verzichtet die nun hoffentlich bald in Kraft tretende neue Schwimmbad- und Badebeckenwasser-Verordnung (BadebwV), nicht zuletzt im Hinblick auf die EU-Harmonisierung, begrüßenswerterweise auf irgendwelche einengenden Normhinweise. So sollen lediglich nur noch verbindliche Wasser-Qualitätsparameter vorgegeben werden. Hierdurch hat die kreative Schwimmbadbranche im technisch übertragenen Sinne endlich wieder genügend Luft zum Atmen, um sich - vom Ballast befreit - ökologisch und ökonomisch im Sinne zukunftsweisender Bädertechnik innovativ zu verwirklichen. Mit anderen Worten, Planer und Anlagenbauer und letztendlich auch die Schwimmbadbetreiber können mit Hilfe ihrer eigenen Erfahrungskompetenz volkswirtschaftlich sinnvolle Anlagen ohne übertriebene Sachzwänge konzipieren bzw. betreiben. Folglich ist die Schwimmbadnorm dann faktisch nicht mehr ultimativer Mittelpunkt, sondern Mittel. Punkt.

Schneller als die Vernunft erlaubt

Die Bäder-DIN macht im Normteil 5 für Aktivkornkohle-Sorptionsfilter hinsichtlich der Korngruppe, Schichthöhe, Filter geschwindigkeit und Materialeigenschaften die Angaben gemäß nachfolgender Tabelle.

Die vorstehenden Vorgaben sind, einmal von der penetranten Steinkohlefavorisierung abgesehen, zweifelsohne notwendig. Nicht akzeptabel ist hingegen der nunmehr über viele Jahre hindurch andauernde Daniel-Düsen-Normtrieb mit der grotesken und sich in der Praxis desaströs auswirkenden Kohle-Leerlauf- Filterspülgeschwindigkeit von 60-65 m/h. Denn diese immer wieder hydraulisch von neuem recycelte Unlogik ist inzwischen längst zum x-ten Male im Kohlefegefeuer der Praxis als ad absurdum verheizt und verglüht. Bei einer Spülorgie von 50 m/h und höher verabschiedet sich, wie jeder praxiserfahrene Fachmann weiß, die heraus-katapultierte Kohle im freien Fall aus dem verwaisten Filter und wandert anschließend „im Spülfluss ohne Wiederkehr" geradewegs ins Verderben, sprich in den Abfluss. Am Ende der Odyssee angelangt, kontaminiert die verseuchte Kohle dann zusätzlich auch noch völlig unnötig das Klärwerk, indem es dieses als endlagernde Sondermülldeponie missbraucht. Im Anschluss daran lässt dann auch noch die Umweltbehörde schön grüßen. Derweil reibt bzw. wäscht sich die Kohlelobby im Sinne von Ethik und Monetik ihre schwarzen Hände in Unschuld.

Inzwischen weiß jeder Bauhelmträger mit Bodenhaftung, dass das Verfallsdatum für die kohleverstaubte 60-65 m/h-Normposse schon längst verstrichen ist. Beim o. g. Hochgeschwindigkeits-Spüldesaster wird bekanntermaßen die Aktivkohle nur sehr kurz im Filter zwischengelagert und verflüchtigt sich bereits nach dem ersten orkanartigen Spülvorgang in Windeseile auf Nimmerwiedersehen. Repräsentative Befragungen von neutraler Seite bestätigen die eigene Praxiserfahrung, dass die Spülgeschwindigkeiten von Sorptionsfiltern bei max. 45 m/h liegen.

Wenn man dann - auf Fachvorträgen, wohlgemerkt - hört, dass sich Spülwassergeschwindigkeiten bei Aktivkornkohlefiltern von 65 m/h bis 70 m/h als ideal herausgestellt haben sollen, fasst man sich als gestandener Fachmann an den Kopf und dabei ins Leere. Denn im Unterschied zu Theoretikern können Praktiker nicht von hydraulisch abgehobenen Idealen träumen, sondern sind gezwungen, sich mit der Realität zu arrangieren.

Statt nun endlich hydraulisch die Reißleine zur längst überfälligen Normausbremsung zu ziehen, behalten die Geschwindigkeitsfanatiker unbeirrt ihren temporären Amok- Crashkurs bei und schleppen, schneller als die Vernunft erlaubt, die berauschende Altlast nach wie vor orientierungslos durch alle Normteile. Solch ein peinlicher Beharrungszustand erinnert angesichts der physikalisch und hydraulisch unumstößlichen Gesetze der Physik sehr stark an selbstumarmende Denkmalspflege uneinsichtiger Verdrängungskünstler. Daher sollte man die erodierte Mathemagie mit dem unhaltbaren Zahlenkunstwerk von 60-65 m/h endlich ein für allemal auf dem Normfriedhof verschrotten.

Normkonform oder praxisgerecht?

Nach der Devise „Schlimmer geht 's immer", geht es dann in der Norm wörtlich weiter: „Aktivkornkohlefilter werden nach einer Lockerung des Filterbettes mit Luft nur mit Wasser gespült. Eine gleichzeitige Luft-Wasser-Spülung ist zu unterlassen. Die Filterspülung ist zweimal pro Woche durchzuführen."

Wenn die DIN lediglich die kombinierte Luftund Wasser-Filterspülung beschreibt und dabei die adäquate und zugleich praxisbewährte reine Wasserspülung für Aktivkornkohlefilter vorsätzlich ignoriert, ist dieses nicht nur als sehr bedenkliche Anmaßung zu bezeichnen. Denn solch eine satte Gleichgültigkeit gegen bewährtes Engineering geht eindeutig in den techni-schen Intimbereich hinein und dort hat eine Norm in der voyeuristisch gebotenen Form nun wirklich nichts zu suchen. Schließlich gibt es seit über 10 Jahren genügend Praxisbeispiele, wo reine Wasserspülungen bei Aktivkornkohle-Sorptionsfiltern als hydrotherapeutisches Reinigungsmittel nicht nur völlig ausreicht, sondern bisweilen auch noch nachweislich effizienter ist als der zusätzliche, nicht ganz unproblematische Airbageffekt in Form einer kombinierten Wasser-Luft-Spülung.

Je tiefer nämlich die Belastungsstoffe während der intensiven Luftspülung in das aufgelockerte Filterbett eindringen, umso dicker wird hygienisch gesehen die Luft. Denn im Anschluss an die ausgiebige Luftspülung wird es für das Spülwasser immerschwieriger, die ekelerregenden und unhygienischen Produkte normkonform fluidisierend aus den Untiefen des Filterbettes wieder fachgerecht herauszuspülen. Statt das Thema „Luftspülung" zur Auflockerung der Kohle auch persönlich locker anzugehen, wird weiterhin verbissen heiße Luft komprimiert. Dabei gilt auch für die Luftspülung die Weisheit: „Weniger ist mehr." Dieses bedeutet im Klartext, dass eine praxisgerechte Luftspülzeit von ca. 2 Minuten effizienter ist als eine normative Zwangsbeglückung des Filtermaterials von ca. 5 Minuten.

Da der Schwimmbadfilter in der Bädertechnik als hygienischer Hochsicherheitstrakt fungiert, ist beim Einsatz von aerodynamischen Luftkissentechnologien entsprechende Sensibilität angesagt. Folglich ist eine domestierende Luft-Wasser-Spülungsforderung undifferenziert sowohl für kleine als auch für große Adsorptionsfilter von den Investitionskosten und von der Spüleffektwirkung her Zumindestens bei kleineren Filtern völlig praxisfremd und daher indiskutabel. Sinnvollerweise setzt man meistens erst ab ca. 1,60 m Filterdurchmesser Spülluft ein. Folglich käme auch kein kompetenter Schwimmbadplaner auf die glorreiche Idee, bei kleinen Filtern, z. B. in Hotels, Saunen o. ä. Einrichtungen kostenaufwändige „Sandstrahlgebläse" zur Schmirgelung des Filtermaterials vorzusehen.

In der Norm geht es dann erneut im roten Bereich wörtlich wie folgt weiter: „Die Spülung mit chlorhaltigem Filtrat aus dem Flockungsfilter (Chlorkonzentration etwa 1 mg/l Cl2) ist mindestens einmal monatlich erforderlich. Ein gesonderter Spülwasserspeicher ist vorzusehen." Mit dieser Normaussage respektive ultimativen DIN-Forderung gerät das normative Spülruder erneut aus dem Kurs. Tatsache ist, dass Adsorptions- Filteranlagen nunmehr seit vielen Jahren unter ständiger Kontrolle von zuständigen Hygieneinstituten ohne die o. g. zusätzliche Normforderung beanstandungslos, d. h. technisch hygienisch einwandfrei funktionieren.

Wenn man darüber hinaus das Copyright solcher mustergültigen Anlagen dem Normausschuss dann auch noch zur kostenlosen Inaugenscheinnahme anbietet und die Gelegenheit, dem Praktiker vor Ort persönlich einmal über die Schulter zu schauen dann nicht wahrgenommen wird, kann so eine - ich nenne es einfach mal etwas überspitzt - „interessenlose Kostentreiberei" von verantwortungsbewussten Planern und Anlagenbauern eigentlich nur mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden. Außer es gibt für die ultimative Chlorforderung in Höhe von 1 mg/l wissenschaftliche zweifelsfreie Praxisbeweise. Dann aber bitte schön anhand von fachgerecht konzipierten Anlagen sowie von mir technisch beschriebenen Anlagen und nicht etwa bei so genannten Keimschleudern.

Ethikder Genetik

Inzwischen weiß man, dass Aktivkornkohle ein hervorragendes mikrobiologisches Kurz- und Langzeitgedächtnis besitzt, indem es neben chemischen Schadstoffen zusätzlich auch noch alles Leben im Wasser als Nahrung gierig aufnimmt und anschließend als Vollwertkost verdaut. Die logische Folge ist dann der bereits eingehend beschriebene Bioreaktoreffekt.

Will man nachhaltig eine optimal funktionierende Standzeit erreichen, ist es unbedingt notwendig, den Kornkohle-Adsorptionsfilter nicht direkt mit dem hygienisch unverantwortlichen Handicap einer organischen Rohwasserfracht zu konfrontieren oder, wohl treffender, zu kontaminieren. Damit die Aktivkornkohle den Mikroorganismen nicht als unerschöpfliche Nährstoffquelle dient, ist dem Kohle-Sorptionsfilter grundsätzlich ein Einschichtfilter als so genannte Vorreinigungsstufe vorzuschalten. Daher lautet die Aktivkornkohleformel: Je effektiver die physikalische Vorfiltration, umso effizienter die katalytische Adsorptions-Nachfilterung.

Da der Tod zum Leben gehört und sich Wiederbelebungsversuche (Reaktivierung) bei verbrauchter Aktivkornkohle derzeit noch äußerst schwierig gestalten, gibt die Norm folgende Grenzwerte vor, bei der die katalytisch ausgebrannte Aktivkornkohle auszutauschen ist:

Austausch der Aktivkohle bei folgenden Grenzwerten:

Mit der Sorptionsfiltration lässt sich nicht nur die Beckenwasserqualität sinnvoll optimieren, sondern auch die Kohleentsorgung ist im Sinne des Umweltschutzes optimal gelöst. Bei fachgerechter Betriebsweise ist der Austausch der Aktivkornkohle je nach Beckenbelastung erfahrungsgemäß erst nach Jahren notwendig.

Augenzwinkernde Anmerkung: Ein renommierter Vortragstourist vertritt anlässlich eines Fachsymposiums in seinem ersten Vortrag die Meinung, dass ein Aktivkornkohle- Reaktivierungsprozess im Regelfall kostengünstiger als der Austausch gegen Frischkohle ist (ohne konkretes Praxisbeispiel, versteht sich) und im zweiten Referat empfiehlt er den rechtzeitigen Wechsel der Kornaktivkohle. Donnerwetter! Wenn das kein eindrucksvoller Widerspruch ist.

Dass Aktivkohle - in welcher Anwendungsform auch immer - nicht nur gebundenes, sondern auch freies Chlor zehrt, steht zwar nicht als Info in der Norm, ist jedoch für Planer und Anlagenbetreiber ein unbedingt zu beachtendes Kriterium, das man wissen sollte. Das Gleiche gilt sinngemäß auch für das bestehende Korrosionsproblem. Beim direkten Kontakt von Kohle mit ungeschützten Metallen gibt es Lochkorrosion. Folglich sollten Stahlfilter einen fachgerechten Korrosionsschutz haben, z. B. Gummierung und nicht irgendwelche billigen Farbanstrichferkeleien, oder man wählt gleich einen 100% korrosionsbeständigen GFK-Kunststofffilter.

Wieviel Normung braucht das Schwimmbad ?

Bei der Sinnfrage, wie viel Normung die Bäderbranche benötigt, kommt man nach dem Lesen der schwarzen Bilanz spontan zu dem Fazit: „So wenig wie möglich und so viel als nötig." Solche DIN-Aversionen kommen schließlich nicht von ungefähr, denn nicht selten fragt man sich in der Praxis, ob Normen die anstehenden Probleme tatsächlich lösen oder nicht selbst ein Teil des Problems sind.

Die im Normtext permanente Verwendung des modalen Hilfsverb „ist" hat nach der DIN 820 Teil 23 für Wortbegriffe sinngemäß den Charakter von Empfehlungen, nicht mehr und nicht weniger. Folglich sollte man es damit auch auf sich beruhen lassen und die Schwimmbadtechnik eigenverantwortlich so fachkompetent konzipieren, dass sie einerseits volkswirtschaftlich vertretbar ist und andererseits eine funktionssichere, möglichst einfach zu beherrschende Technologie aufweist, um schlussendlich die geforderten Beckenwasser-Hygieneparameter zu erreichen.

Bei technisch unnötig hochgerüsteten Planungen sind verantwortungsbewusste Anlagenbauer daher in der Regel gezwungen, kostenminimierende Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Normtragik wird dann in ihrem dramatischen Ausmaß bzw. in ihrer ganzen Tragweite offensichtlich, wenn z. B. in einem Rechtsstreit normhörige Schwach-, Pardon, Sachverständige als so genannte Firmenbestatter aufgrund fehlender Praxis mit eingeengtem Röhrenblick permanent gutachterliche Rohrkrepierer zünden, bei denen dann Richter gnadenlos gezwungenermaßen seinem ihm vorauseilenden Ruf allemal gerecht wird. Wer selbst einmal hautnah die Rechtsfindungshölle beim gnadenlosen Überlebenskampf vorm Kadi als Anlagenbauer durchlitten hat, weiß als im doppelten Wortsinn Betroffener, wie tödlich sich die Symbiose aus normhörigen Gutachtervasallen und existenzbedrohenden Fehlern in einer DIN-Keule im ohnehin ruinösen Tagesgeschäft auswirkt.

Im Baurecht zählt nur eins, nämlich das erstellte Gewerk muss ohne Wenn und Aber mängelfrei sein. Ist das nicht der Fall, interessieren irgendwelche rechtfertigenden Normbekenntnisse schwarze Samtroben einen feuchten Kehricht. Das ist eindeutig Fakt, mit allen sich aus dieser baurechtlichen Tatsache heraus ergebenden negativen Folgen für Planer und Anlagenbauer. Da helfen dann auch keine selbstlosen Advokaten- Appelle: „Fragen Sie Ihren Anwalt und rufen die Gerichte an." Denn jeder DIN-Anwender handelt - so die verantwortungsdelegierenden Normpräambeln - in völliger Eigenverantwortung.

Der kritische Fachbeitrag im Sinne von pro Aktivkornkohle-Sorptionsfilterung bestätigt eigentlich nur die hinlänglich bekannte Erfahrung: „Praxis ist nicht alles, aber ohne Praxis ist alles nichts." Daher ist es allemal an der Zeit, dass theoretische Utopisten endlich ihre selbstzerstörerische Vollkasko-Mentalität ablegen und der Praxisrealität mit kreativer Fachkompetenz entsprechend Rechnung tragen. Denn dann stimmt mit Hilfe des äußerst nützlichen Badewasser-Seelentrösters „Aktivkornkohlefilterung" auch wieder die Chemie im Schwimmbad(un)wesen.

Christoph Saunus

Sport Bäder Freizeit Bauten 6 / 2001

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